Liebe Pflegeeltern,

eigentlich könnte man sein Alter ganz gut daran festmachen, wie man sich als Kind Hörspiele angehört hat: als Tonies, auf CD, Cassette (o je, mein Jahrgang liegt ziemlich weit hinten) oder gar auf richtiger Schallplatte aus Vinyl. Kinder lieben es Geschichten zu hören, auch zum gefühlt hundertsten Mal die gleichen. Wenn es auch weniger spannend ist, gibt es dafür ein Gefühl von Sicherheit, wenn man schon weiß, wie es ausgeht. Außerdem fördern Hörspiele die Phantasie, gerade weil die Bilder dazu erst im eigenen Kopf entstehen. Die Auswahl ist für alle Altersstufen riesig, von seichtem Hintergrundgeplätscher bis zu veritabler Kinderliteratur mit echtem pädagogischem Mehrwert. Also, Daumen hoch für Hörbücher!

Eine weitere wertvolle Ebene kommt beim Vorlesen hinzu. Neben den erwähnten Wirkungen wird hier auch die Beziehung gestärkt: Das Kind spürt, jemand nimmt sich Zeit für mich und wir tauchen gemeinsam in die Geschichte ein. Das muss nicht beim Zubettgehen sein, auch als gemeinsame Aktivität an einem regnerischen Tag kann Vorlesen funktionieren. In der empfehlenswerten Elternkolumne des Spiegels berichtete eine Mutter kürzlich, dass sie sich manchmal hinsetzt und beginnt laut zu lesen, wenn ihre Kinder aufdrehen, und oft setzen sie sich nach ein paar Minuten dazu und hören zu. Einen Tonie auf die Box zu setzen wäre hier sinnlos, aber Vorlesen ist eben immer auch ein Beziehungsangebot. Das wird nicht immer klappen, aber in der richtigen Situation es ist sicher mal einen Versuch wert.

Die Steigerung von Vorlesen ist etwas, das leider selten geworden ist, nämlich das Erzählen. Jeder von uns kennt hunderte Geschichten in- und auswendig. Bücher, die man gelesen, Filme, die man gesehen, kleine und große Abenteuer, die man selber erlebt hat. Geschichten nicht vorzulesen, sondern mit eigenem Worten zu erzählen und vielleicht sogar zu erfinden, macht sie zu einer ganz persönlichen Sache zwischen Ihnen und Ihrem Pflegekind, in eigener Sprache und mit der interaktiven Möglichkeit für das Kind, Fragen und Kommentare beizusteuern.

Die Königsklasse in dieser Reihe sind selbsterfundene Geschichten. Sie haben ihren ganz eigenen Zauber: ein seltsam gewachsener Baum beim Spazierengehen kann Kapitel 1 einer Geschichte über seine früheren Bewohner (Eichhörnchen oder doch Elfen?) sein. Man muss nicht Astrid Lindgren oder Michael Ende sein, um seine kleinen Zuhörer zu fesseln. Solche eigenen Geschichten können Sie auch gemeinsam mit dem Kind weiterspinnen. Dabei werden Sie viel über die Gedankenwelt Ihres Pflegekindes lernen, denn innerhalb dieser gemeinsamen Phantasiewelt kann es seinen Ideen ungehindert freien Lauf lassen. Gemeinsam eigene Welten schaffen, Helden und Schurken begegnen und unbekannte Meere ausloten, damit kann man auch bei schlechtem Wetter schon mal ein paar Stunden verbringen, oder?

Mit herzlichen Grüßen
Leo vom FaMo-Team